Chance auf und durch Bewegung

Reha- und Gesundheitssport in Westerkappeln

„Zählt ihr auch eure Schritte?“, fragt Andre Heermann in den Raum hinein. Seine Adressaten verneinen und schalten eine Konzentrationsstufe hoch. Auf dem Boden liegen kleine Schaumstoffblöcke und blaue Turnmatten. Sie dienen als Hindernisse.

Diese kleinen „Schikanen“ schulen den Gleichgewichtssinn, „das Zählen ist gut für den Rhythmus“, sagt Heermann, der von Beruf Ergotherapeut ist. Dieser Rhythmus soll dazu dienen, dass die Schritte lang bleiben, denn „bei Parkinson-Patienten werden die mit der Zeit immer kleiner und der Gang wird vornübergebeugt“, erklärt Heermann.

Parkinson – das ist der Grund, warum eine Handvoll Menschen jeden Freitagnachmittag mit Beermann übt. Ankämpfen gegen die langsam fortschreitende Degeneration der Motorik, die bei jedem Einzelnen seit der Diagnose anders und doch irgendwie gleich verläuft. Die Stunden, die in der Praxis Dialog stattfinden, sind eine Chance, durch Bewegung etwas zu bewegen – für die Gruppenleiter, vor allem aber für die Sporttreibenden selbst. Seit 1994 kooperiert die Praxis Dialog mit dem Sportverein THC Westerkappeln. Praxis-Inhaber Karl-Heinz Homburg gab damals den Anstoß. „Wir haben schnell gemerkt, dass Bedarf da ist und wir als Sportverein da was machen können“, sagt der THC-Vorsitzende Werner Schröer. Längst ist die Behindertensportabteilung des THC im Behindertensportbund des Landes anerkannt.

Doch was als Idee begann, vor allem junge Menschen und Kinder mit Beeinträchtigungen zum Sport zu führen, hat sich längst ausgeweitet. Die Parkinson-Gruppe zum Beispiel gibt es noch nicht lange. Ganz aktuell werden Wirbelsäulengymnastik von Gudrun Lüpping und bald auch eine Stunde für Menschen, die einen Schlaganfall erlitten haben, angeboten.

Die Zusammenarbeit der beiden Westerkappelner Institutionen klappt dabei gut. „Wir als Sportverein können den Bedarf eigentlich gar nicht einschätzen, daher ist die Kooperation mit der Praxis Dialog so wichtig“, sagt Schröer. Die geschulten Übungsleiter stellt die Praxis. Alle sind für ihre Stunden extra ausgebildet und zertifiziert. 

„Über die Jahre hat sich eine Eigendynamik zugunsten eines breiten Angebots entwickelt“, sagt Schröer. Es ist ihm dabei nicht nur anzumerken, er sagt es auch: „Wir sind stolz, dass sich das so entwickelt.“

Wer an den Stunden teilnimmt, wird für die Zeit Mitglied beim THC. Im Schnitt seien das 50 bis 60 Leute. Die Vereinsbeiträge sind gering, wenige Euro im Monat. „Ich denke, man kann von Kostendeckung für uns sprechen“, sagt Schröer. Die Kosten für die Kurse und deren Leiter werden ganz oder zumindest teilweise über die Krankenkasse abgerechnet.

Andre Heermann, der zukünftig auch die „Schlaganfallgruppe“ leiten wird, hat neben dem bewegungstherapeutischen Effekt noch einen weiteren wichtigen Aspekt ausgemacht. Gerade bei Schlaganfallpatienten, die plötzlich aus ihrer gewohnten Lebenssituation gerissen werden, sei der Wunsch groß, etwas in der Gruppe zu machen. Auch die Scham aufgrund der eigenen Einschränkungen verschwinde schnell, wenn die Patienten unter sich seien. „Der Spaß ist so wichtig wie die Bewegung, denn er gewährleistet, dass sich derjenige nicht sozial isoliert“, sagt Heermann.

Zurück bei der Parkinson-Gruppe. „Wollt ihr eine Pause machen“, fragt Heermann. „Nein“, kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen. „Das könnte ich stundenlang machen“, sagt ein Teilnehmer. Ab und an setzt sich aber dann doch mal jemand. Einen Zwang gibt es bei dem Training der allgemeinen Beweglichkeit nicht. Denn auch ohne den lässt sich durch Bewegung für viele Menschen Einiges bewegen.